Liebeserklärung und Ärger im Paradies

Nachdem wir uns von Marlies, Ivo und Lisa verabschiedet hatten, gingen wir direkt in das Immigration Office Denpasar, um den mysteriösen nächsten Schritt unserer Visumsverlängerung zu vollziehen. Ohne genau zu wissen, was das bedeutete, schlugen wir am Anmeldetresen auf.
"Ja, hi. Wir sind Kristin und Elisa und kommen wegen unseres Visums." 
Die Dame am Schalter hob die Augenbrauen hoch. "Und?"
"Uuuuuuund... äh. Mehr wissen wir auch nicht." 
Wir kramten die Papiere unserer Agentur aus Ubud hervor und im nächsten Moment sprach uns ein Mann an. Er kannte unsere Namen und war offensichtlich unser Agent, der an einem anderen Schalter zwei Nummern abholte. 168 und 169.
"Wait here" sagte er und verschwand.
Wir nahmen Platz und blickten in die Runde. Im Wartebereich saßen über Hundert Leute, die Bildschirme zeigten Nummern an, die sich gerade in Bearbeitung befanden. Zwanzig Minuten später war immer noch die 33 an der Reihe... Na das konnte ja dauern! Als endlich auf die 34 umgeschalten wurde, kam der Agent wieder. 
"Come with me."
Plötzlich saßen wir auch schon im Büro der Immigrationsbeamten, wurden fotografiert, ließen Fingerabdrücke scannen und Krissi beantwortete fünf Fragen, deren Antworten gleich für mal mich mit übernommen wurden. Ehe wir uns versahen, waren wir fertig und verließen Denpasar in Richtung Ubud, wo wir die nächsten Tage auf unsere Pässe warteten und die Zeit mit gutem Essen und organisatorischen Dingen tot schlugen. 
Aus Kostengründen übernachteten wir allerdings nicht im gleichen Homestay wie zuvor, sondern wählten ein Hostel. Dieses hatte allerdings ein paar Bettwanzen, weshalb wir in eine Unterkunft mit Privatzimmer umzogen. Dort war zwar das Bett sauber, aber in der Zimmerdecke über uns hatte eine Rattenfamilie ihr Zuhause, die gerade eine kleine Tanzparty vernstaltete. An sich fand ich das Trappeln über in der Wand ja ganz angenehm und einschläfernd, aber der Ventilator über uns wackelte so stark, dass ich Angst hatte, er könnte jede Sekunde die Decke samt Rattennest herunter reißen. Also zogen wir am nächsten Morgen wieder in ein Hostel, das auf den ersten Blick einen viel versprechenden Eindruck machte. Am Abend rief mich Krissi zu sich und fragte, ob das von ihr fest gehaltene Insekt eine Bettwanze sei. Ja, verdammt!
Sofort sah ich auch bei mir nach und wurde ebenfalls fündig. Wir machten die Jungs der Rezeption darauf aufmerksam und konnten das Bett wechseln. 
Unsere folgenden Reaktionen und Handlungen darauf kann ich im Nachhinein nicht mehr ganz nachvollziehen, aber ich schiebe sie auf die uns übertragene asiatische Naivität und "No problem-Mentalität": wir wechselten die Betten, obwohl natürlich logisch ist, dass sich die kleinen Wanzen von Ort zu Ort bewegen können und das Problem alles andere als gelöst war. Jedenfalls blieben wir in besagtem Hostel ganze vier Nächte, obwohl wir um die Bettwanzensituation wussten. Fragt nicht warum.  
Die logische Konsequenz daraus? Wir hatten neue Reisebegleiter.
Mit den abgeholten Pässen waren wir gerade auf der Speedbootfähre nach Gili Trawangan, als mich etwas in den Arm pieckste. Ich hatte ihn auf meinem Tagesrucksack abgelegt und entdeckte, wie sich eine Babywanze am Reißverschluss hinab hangelte. Ich teilte Krissi meine Entdeckung mit und passend zum Wetter schlug auch unsere Laune um. Aus heiter Sonnenschein wurde Sturm, Regen und Gewitter. Großartig!


Gili Trawangan ist eine von drei sehr kleinen Inseln nördlich von Lombok.  Hellblaues Meer, weiße Strände, Reggaemusik, Kokonüsse...
Das kleine Paradies stand schon eine halbe Ewigkeit ganz weit oben auf meiner Liste und ich konnte es kaum erwarten, endlich dort zu sein. Doch leider mussten mir Wetter und Bettwanzen einen Strich durch die Rechnung machen. Wir legten an und es schüttete kübelweise, kleine Seen hatten sich auf den Wegen gebildet und wir stapften los, um nach einer Bleibe zu suchen. Unsere Ansprüche: bezahlbar, Privatzimmer und Terrasse für die anstehende Ungeziefervernichtungsaktion. Nach fünf Unterkunften, nassen Rucksäcken und schlammigen Beinen fanden wir ein gutes Homestay. Als der Besitzer die Tür zum Raum aufschloss, huschte gerade eine fette schwarze Spinne über den Fliesenfußboden.
"SPIDER" kreischte Krissi. Der Besitzer lachte und nickte. Also lachten und nickten wir auch und freuten uns über eine weitere tierische Mitbewohnerin.
Nun stellten wir uns der Parasitenbeseitigung und recherchierten, womit wir hier zu kämpfen hatten: die winzigen, blutsaugenden Dämonen halten so ziemlich allem Stand (Kälte, Wärme, keine Sauerstoffzufuhr, keine Nahrung) und es braucht nur ein einziges überlebendes, schwangeres Weibchen, um den Bettwanzenbefall von neuem beginnen zu lassen.
Also räumten wir die Rucksäcke aus, inspizierten und desinfizierten jedes noch so kleine Objekt von Tablettenpackung über Ladekabel bis Zahnpastatube (Dauer vier Stunden).
Außerdem gaben wir sämtliche in Bali benutzte Wäsche in die Laundry, welche mit rund 2€ pro Kilo die teuerste auf unserer gesamten Reise war. Nicht Waschmaschinen-geeignete Teile weichten wir im Bad (für 10 Stunden) in einem Bottich mit heißem Wasser und Kernseife ein. Die Rucksäcke an sich sprühten wir ebenfalls großzügig mit Desinfektionsspray ein. 
Falls ihr euch nun fragt, ob wir fündig geworden sind... Ja! Mein scharfes Augen entdeckte sie einer Klopapierrolle und Plastikbeuteln.
Trotzdem konnten wir nicht sicher sein, alle Tierchen beseitigt zu haben und suchten nach einer Lösung für die Rucksäcke. 
Chemikalien würden helfen... oder Extremtemperaturen unter Null oder über 45°C.
Da wir aber weder Backofen noch Gefriertruhe zur Verfügung hatten, blieb uns nur unsere Kreativität. Dementsprechend machten wir  uns auf die Suche nach einem großen schwarzen Beutel. Diesen fanden vor einem Restaurant der Nebenstraße, nahmen ihn mit, steckten meinen Rucksack hinein und legten ihn in die Sonne. Während dieser dort brezelte, erzeugten wir in unserem (glücklicherweise) schlecht belüfteten Bad eine Sauna, indem wir Krissis Backpack (und später meinen) mit Seife und viel heißem Wasser wuschen. Die ganze Aktion dauerte uns drei volle Tage, in denen wir auch sonst nicht viel unternahmen, da unsere Klamotten fast alle in der Wäsche waren.
Aber wir hatten Erfolg! Danach waren wir nicht nur schädlingsfrei, sondern vermutlich auch so sauber wie noch nie zu vor auf dieser Reise. Endlich konnten wir uns auf das Paradies konzentrieren, in dem wir uns befanden. 

Wo die Ananas von den Bäumen hängt...



Blick auf Mount Agung
Schildkröten Aufzuchtstation zum Schutz der Eier


Schnorcheln am Strand







Ich fing an Gili Trawangan zu lieben. Die Insel war so anders als ich sie mir vorgestellt hatte, doch ich schloss sie in mein Herz. 
Jeder hat gute Laune, sowohl die Einheimischen als auch die (deutschen) Touristen. Ich bin niemandem begegnet, der ein Lächeln nicht erwidert hätte. Überall hört man die Worte "Enjoy your food, enjoy your time, enjoy your day, Enjoy Enjoy Enjoy my sister!". 
Es ist unmöglich unbemerkt durch die Straßen zu gehen, denn alle grüßen dich. Das reicht von "Hello/Hey/How are you" bis "I love you Sweetybeautyhoneybunny". Woanders hätte ich das vermutlich als aufdringlich oder nervig empfunden, aber hier kann man einfach niemanden etwas böse nehmen, wenn überall diese Super-Relax-Atmosphäre herrscht. Jeder möchte schlichtweg nett sein und lässt dich verständnisvoll sofort in Ruhe, wenn du nicht darauf reagierst. 
Nach ein paar Tagen kam es mir so vor, als ob mich die halbe Insel kennen würde, weil ungefähr jeder Dritte schon nach meinem Namen gefragt hat.

"Where are you from?"
"Germany"
"Aaaaachsooooo du bist wunderschon"

Ich mag, dass die Locals draußen sitzen und an jeder Ecke Gitarre spielen. Ich mag, dass sie Reggaemusik an haben und total laut und schief mitsingen, um dir ein Lächeln zu entlocken.
Ich mag, dass der Sand rosa schimmert, wenn die Dämmerung beginnt. Ich mag, dass bei Dunkelheitseinbruch überall am Meer kleine Lagerfeuer gemacht werden.
Ich mag, dass du nur ein paar Meter vom Strand entfernt schnorcheln gehen musst, um Meeresschildkröten zu entdecken.
Ich mag, dass es hier keine motorisierten Fahrzeuge gibt. Immer wieder ertönt das Scheppern kleiner Glöckchen. Nanu? Der Weihnachtsmann?
Aber nein, dann biegt nur wieder eine Pferdekutsche um die Ecke. Ich mag, dass Touristen sich auf uralten quietschenden Drahteseln abstrampeln, absolut nicht vorwärts kommen und trotzdem ein breites Grinsen im Gesicht haben.
Ich mag, dass sämtliche Inselbewohner einfach ans Meer gehen, wenn den ganzen Tag Stromausfall herrscht.
Ich mag den Farbton des Wassers und das leise Klirren der angespülten Korallenstumpfe bei jeder Welle. Ich mag die kleinen Krabben, weil sie fast unsichtbar sind und in Sekundenschnelle in kleinen Löchern verschwinden.
Ich mag das Essen, meine tägliche Kokosnuss, den allmorgenlichen Bananenpancake unserer Unterkunft, die Kakerlake in unserem Bad, die Palmen, das Wellenrauschen...
Es ist einfach schön hier!

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